Sitzen zwischen Wolkenkratzern

Ich war hin- und hergerissen, ob ich am Samstagmorgen zum Yoga-Kurs im Walkie Talkie gehen sollte. Aber nachdem ich 7 Jahre hier gelebt hatte, war die Liste der neuen Londoner Aktivitäten, die ich ausprobieren wollte, auf diejenigen reduziert, die ich ein wenig peinlich fand.

Für diejenigen, die mit den Wolkenkratzern Londons nicht so vertraut sind: Das Walkie Talkie befindet sich in der City of London. Verwirrenderweise bezieht sich dieser Name nicht auf London als Ganzes. Er beschreibt die 1,12 Quadratmeilen, die auch als ehemaliges Londinium bekannt sind, also die roemische Siedlung im Herzen der Stadt. Heute ist es berühmt als Bankenviertel, aber wenn man genau hinschaut, kann man dort immer noch Reste der alten Stadtmauern finden.

Das Walkie Talkie liegt gegenüber der Käsereibe und der Essiggurke, zwei weitere zeitgenössische Beton-Wahrzeichen, und reiht sich lückenlos in den architektonischen Wettstreit um Grandiosität ein, der sich auf diesem ehemaligen römischen Gelände abgespielt (die Essiggurke gewinnt eindeutig den Preis dafür, dass sie am meisten wie ein Penis aussieht).

Anders als seine aufrechten Gegenstücke musste das Walkie Talkie mit einer frei zugänglichen Aussichtsplattform und einem Dachgarten gebaut werden. Das bedeutete natürlich, dass die Aussichtsplattform zwar während eines vorab gebuchten Zeitfensters kostenlos zugänglich ist, aber gleichzeitig als Kulisse für eine Vielzahl kostenpflichtiger Aktivitäten dient, die sicherstellen, dass die Gebäudebesitzter dennoch einen guten Gewinn erwirtschaften können – einschließlich der morgendlichen Yoga-Kurse, für die ich vor Ewigkeiten Werbung gesehen hatte.

Warum also hat es so lange gedauert bis ich den Kurs gebucht habe? Zunächst einmal finde ich, dass die Mischung aus abenteuerlustigen Touristen und geldgierigen Gaunern, die diesen Teil der Stadt bevölkern, grundsätzlich im Widerspruch zu den Prinzipien des Yoga steht. Obwohl dem horrenden Preis von 27,50 £ für den 60-minütigen Kurs (Matten und Umkleidekabinen nicht inbegriffen) nach zu urteilen, hat Yoga sich hier ganz gut eingelebt.

Wenn ich ehrlich bin, hat mich eigentlich die Vorstellung von mir selbst abgehalten: eine junge, weiße Frau mit typischen Dutt, Yogamatte unter dem einen Arm und einer wiederverwendbare Wasserflasche unter dem anderen, die zu einer unchristlichen Zeit die Northern Line entlang stolziert auf dem Weg zum Yoga. Mich von diesem Kurs fernzuhalten, fühlte sich wie die letzte Bastion an, um nicht dem Matcha-schlürfenden, „Auszeit“-planenden Klischee einer Person zu unterliegen, zu dem ich langsam aber sich wurde. Aber dann stellte ich fest, dass ich Matcha wirklich nicht mag, und so stand Yoga im Walkie-Talkie an.

Auf meinem Weg in die Stadt tauchte die frühe Morgensonne alles in ein sanftes Licht und warf weiche Wolkenkratzerschatten auf den Boden. Yoga im Gotham-Stil. Am Gebäude wartete ich auf meine Freundin, während die Mitarbeiterinnen des Cafés an mir vorbei zu ihrer Schicht gingen. Wie üblich fand die Bespaϐung einer Frau auf Kosten einer anderen statt. Die grauen Oberflächen der Wolkenkratzer dienten als passende Kulisse für diese moralisch fragliche Situation.

Im Inneren bestätigte jedes Detail meine schlimmsten Befürchtungen. Wir wurden von Sicherheitsschleusen im Flughafenstil empfangen, dann katapultierten uns Aufzüge zum Unterricht in den 35. Stock. Yogisches Erwachen im Turbogang. Eine tribal tätowierte Lehrerin hatte die obligatorische Shanti-Musik aufgelegt, die in komischen Kontrast zu dem Thresen im Hintergrund stand, der zu anderer Tageszeit offensichtlich als Cocktailbar fungierte. Die Kälte des Betonbodens drang durch unsere Yogamatten. Eine handfeste Erinnerung, dass unsere erhabene Absicht zur Entspannung irgendwie fehl am Platz war.

In einem bescheidenen Versuch geistiger Flucht ließ ich meinen Blick über die Aussicht schweifen, während wir die vorhersehbare Asana-Sequenz nachturnten. Vom 35. Stock aus sahen die Käsereibe und die Essiggurke gegenüber weniger bedrohlich aus. Als ich mich in eine umgekehrte Dreiecksposition beugte, bemitleidete ich fast ihre verbissene Starrheit. Es muss schwer sein, immer so aufrecht zu stehen, wenn es so viel Freude macht sich zu verbiegen.

Nach dem Unterricht bekamen meine Freundin und ich im Café auf dem Dach noch verbrannten Kaffee und alte Croissants gereicht. Sie schmeckten nach 10 % Inhalt und 90 % Ambiente, wie es für jeden gehypten Ort typisch ist. So weit, so vorhersehbar das Ende dieser Geschichte.

Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass der freudigste Teil nach all dem kommen würde. Kichernd über die Absurdität des Morgens, saϐen meine Freundin und ich auf einem Sofa auf der Aussichtsplattform und plauderten stundenlang, während uns panoramahungrige Besucher umspülten. Still sitzen auf der stahlgewordenen Manifestierung von Profitgier und Produktivität, verlieh unserem müßigen Geplauder einen besonderen Kick. Dreiste Faulheit im Angesicht des regen Bankengeschäfts. Das nenne ich Entspannung. Und wir hätten auf die Plattform kommen können, ohne auch nur einen Cent zu bezahlen.

Auf der Stelle überarbeitete ich meine ehrgeizige Liste organisierter Aktivitäten für den Rest meines Londoner Sommers. Nun steht dort nur noch – meinen Hintern bräsig an kostenlose Orte pflanzen. Wer weiß, vielleicht kann ich das sogar als neue Yoga-Pose eintragen lassen – die faul herumliegende Zicke. Namaste.