Die einzige Reaktion, die ich auf meinen nicht-existenten Kinderwunsch hören möchte
ICE Amsterdam-Berlin. Ein Vater und seine Grundschul-Tochter steigen zu. ‘Ach guck mal, super!’. Da freut sich einer über einen Vierer mit Tisch. ‘Warte Papa, ich mach das hier mal noch drauf!’. Die Tochter steht noch am Gepäckgitter und wuchtet eine zum Bersten volle Tasche auf den bereits bestehenden Kofferberg. ‘Musst du nicht, das kann ich doch machen’. Ein schneller Schritt, ein väterlicher Griff und alle sind sicher im Zug verstaut.

Während ich diese Szene vor ein paar Wochen beobachtete, spürte ich es wieder ganz deutlich: Ich will keine Kinder. Selbst wenn sie mit einem noch so süßem Regenbogen-Koffer daherkommen.
Während die niederländische Landschaft an mir vorbeizieht, denke ich an all die Reaktionen, die mir in den letzten 32 Jahren schon auf die Offenbarung dieses Entschlusses entgegengebracht worden sind:
- ‘Aber du hattest doch selbst so eine schöne Kindheit’. – So what? Schulde ich der Welt dafür was?
- ‘Das wäre so eine Verschwendung deiner Gene’. – Als Anmache. Zweimal. Von zwei verschiedenen Männern. Keinen Kommentar…
- ‘Ihr würdet bestimmt einen Kompromiss finden’ – Als Gegenvorschlag zur unausweichlichen Trennung, sollte mein Partner Kinder mit mir wollen. Was gäbe es da denn bitte für einen Kompromiss? Es sei denn wir mutieren zu Seepferdchen und der Mann trägt das Kind aus.
- ‘Warte ab, bis du 30 wirst. Das kommt.’
Nun bin ich aber schon fast 3 Jahre 30. Und ich schaue mich auch jedes Mal fleißig um, wenn mir noch so eine heimelige Familienszene begegnet. Lauert er da, der Kinderwunsch? Im Buggy der selig aufs Handy-starrenden Eltern? Nichts. Bis heute ist meine erste Reaktion, wenn jemand mir von einer Schwangerschaft berichtet, immer noch die Frage, ob das Kondom geplatzt ist, gemischt mit Panik, dass mich ein ähnliches Schicksal heimsuchen könnte.

Schon als Kind fand ich das kindliche Verhalten Gleichaltriger eher befremdlich. Während andere mit ihren Puppen spielten, sparte ich mir die brandneuen Batterien in meiner Baby Annabell, die den Heulmechanismus auslösten, lieber so lange auf, bis sie ausliefen. Bis heute würden die meisten Menschen in meinem Leben sagen, dass ich Kinder nicht … süß finde, um es milde auszudrücken. Ich möchte aber klarstellen, dass der größte Antrieb meines mangelnden Kinderwunsches nicht jahrelang gehegter, hexenartiger Hass auf Kinder ist. Stattdessen will ich mein Nein zu Kindern, als glasklares Ja zum Leben verstanden wissen. Und zwar zu meinem.
Ich liebe es morgens im Bett zu liegen, eine Stunde Lesekost auf leeren Magen intus, und mir die nächsten Jahre auszumalen, ohne Rücksicht auf frühkindliche Pädagogikbedürfnisse nehmen zu müssen. Wie viele Karrieren wohl noch in mir stecken. Wie viele Umzüge in die Großstädte dieser Welt. All die Sprachen, die ich noch lernen, Freundschaften, die ich noch knüpfen werde. Meine kinderfreie Zukunft ist expansiv und ich kann mich an ihr nicht satt sehen. Kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass weniger jemals genug wäre. Wenn es um die Gestaltungsmöglichkeiten meiner zukünftigen Lebensentwürfe geht, bin ich Maximalistin.

Klar könnte ich diese Dinge wahrscheinlich auch mit Kind meistern. Aber wenn ich in die abgespannten Gesichter von Eltern mit Kindern blicke, die mir im öffentlichen Nahverkehr begegnen, frage ich mich, zu welchem Preis. Irgendsoein Ja-Aber Horst käme jetzt sicher mit dem schlauen Spruch daher, dass wenn man anfängt, die Kosten auszurechnen, die Entscheidung niemals fürs Kind ausfallen würde. Da ich nicht unter Kind-bedingtem Schlafmangel leide, kann ich jedoch direkt erkennen, was für eine fälschliche Dichotomie – a) Akzeptier die Kosten und hab Kinder b) Lehn die Kosten ab und hab eben keine – dies darstellt. Die einzig produktive Antwort auf die Äußerung einer Frau ihre Freiheit, sei sie finanziell oder kreativ, über die Mutterschaft zu stellen, ist nämlich:
Wie können wir einen Wohnmarkt / Wirtschaft / Welt schaffen, in der Mutter zu werden sich nicht immer noch für viele wie eine verdammte Selbstaufgabe anfühlt.
Deswegen nehme ich Antwort c) Ich lehne die mit meiner potenziellen Mutterschaft verbundenen Kosten ab. Dafür nutze ich meine aufgesparte Energie (und gerne auch meine Gene, und meine trauma-freie Kindheit), um eine weniger aufopferungsvolle Welt für alle mitzugestalten. Und vielleicht treffe ich dafür sogar auch den einen oder anderen Kompromiss.
