Wie man sich den Hintern aufreißt und seinen Gluteus Maximus entspannt
Nur wenige Dinge sagen „Lass uns den nächsten Schritt in dieser Beziehung wagen“, wie wenn dir eine Freundin vorschlägt gemeinsam an einem „Twerk after Work Afrobeats Edition“ Tanzkurs in einem Gemeindezentrum im Norden Londons teilzunehmen. Als ich zum ersten Mal davon hörte, war ich mir nicht zu 100% sicher, was der Kurs beinhalten würde, aber nach einem kurzen Blick auf die Veranstaltungswebsite bambamboogie.com, waren zwei Dinge klar: 1. dass es um heftiges und ungehemmtes Hinternwackeln gehen würde und 2. dass mein Hintern wahrscheinlich zu weiß und knochig war, um irgendetwas von Ersterem mit nur annähernd genug Attitude zu vollbringen. Diese zweite Gewissheit beruhte nicht nur auf millennialem Wokismus, sondern auf einem 15-jährigen währendem Versuch, meine anatomische Unbeholfenheit zu überwinden.
Klassisches Balletttraining gepaart mit deutschen Genen bedeuteten, dass das „Abrocken“ auf der Tanzfläche als Teenager auf den berüchtigten „Walk across“ hinauslief. Dabei ging ich nach stundenlangem Zögern endlich zielstrebig auf die Mitte der Tanzfläche zu, nur um meine Meinung auf halber Strecke zu ändern und weiter geradeaus auf die andere Seite zu gehen, als ob das von Anfang an meine Absicht gewesen wäre.
An der Uni arbeitete ich mich vom „Walk over“ zum Pinguin vor. Beim Pinguin bewegte ich zwar meine Füße von links nach rechts und stand auf der Tanzfläche, aber meine Arme waren wie an meine Seiten getackert. Das höchste der Gefühle war, wenn ich meine Finger in rechtem Winkel zu meinen Beinen ausstreckte. In den folgenden Jahren durchlief ich die verschiedensten Tanzkurse, um meinem Pinguin das Fliegen beizubringen. Angefangen mit „Wir-sind-alle-gleich-auch-Frauen-können-führen“ Lindy Hop und „Mach-dir-keine-Sorgen-Baby-folge-einfach“ Salsa, über knallharte Pole-Fitness bis hin zu „Ich-nehme-diesen-Raum-ein“ Flamenco.
Meine heutige Freestyle-Tanzpersönlichkeit würde ich als „Vogelscheuche auf Speed“ bezeichnen. Meine Bewegungen ähneln weiterhin denen eines Stocks, werden aber mit absoluter Hingabe ausgeführt. Ich habe also wenigstens Spaß.

Da mein Hintern von einem transatlantischen Arbeitsflug noch taub war, dachte ich, Twerking wäre genau das Richtige, um meinen Jetlag zu heilen und meine Tanzentwicklung voranzubringen. Sobald ich durch die Tür trat, wurden ich und ungefähr 10 andere „Queens“ von Teetassen-Affirmationen umhüllt. Während wir ein sanftes Aufwärmwackeln ausführten, skandierten wir: „Ich bin mutig. Ich wähle Mut.“ Ich schätze, je steifer ich war, desto mutiger war es von mir hierher zu kommen?! Mission erfüllt.
Nach den Aufwärm-Hüftkreisen übten wir den Ur-Twerk, bei dem man seinen Hintern in verschiedenen Winkeln den Leuten hinter sich entgegen streckt (Memo an mich: Solltest du noch einmal an einem Kurs teilnehmen, bei dem es hauptsächlich darum geht, den Hintern rauszustrecken, trage vielleicht nicht die Shorts, bei denen du dir nur zu 70% sicher bist, dass sie blickdicht sind). Während ich in geduckter Haltung und mit gerunzelter Stirn versuchte, den Anweisungen der Lehrerin zu folgen, wurde mir klar, dass Twerking neben der Lockerung der Gesäßmuskulatur noch einen weiteren großen Vorteil für Gesundheit und Wohlbefinden hat. Man kann seinen Arbeitsgedankenstrom nur bedingt aufrechterhalten, wenn man gleichzeitig versucht, seinen Hintern genug zu entspannen, damit er so aussieht wie ein köstlicher Haufen Vanillepudding, der von warmem Apfelstrudel rutscht.
Ich muss die Spesenabrechnung noch machen. Für die Geschäftsreise nach Kanada. Für das Hotel im 10. Stock mit dem Ententeich. Und dem Hotelpersonal, das nach zwei Tagen anfing zu streiken und die Flure mit Handtuchwagen und Müllsäcken übersäte. So eine seltsame Stille, außer wenn mal wieder eine Ente gegen eines der Fenster flog. Montreal = Stockentenförmige Tropfen die von Glas abperlen. Wer baut ein Entengehege im 10. Stock?!
Zeig das Poloch. Versteck das Poloch.
Wenigstens hat das Personal von Air Canada am Ende nicht gestreikt. Sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht einmal zu diesem Kurs geschafft. Hätte meine Reisekrankenversicherung die zusätzlichen Tage abgedeckt, wenn ich aus Gründen außerhalb meiner Kontrolle in einem anderen Land festgesessen hätte?
Zeig das Poloch. Versteck das Poloch. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Es ist draußen. Es ist schüchtern.
Wenigstens habe ich etwas von Montreal gesehen. Straßen wie in Europa, nur breiter. Und mehr breite Menschen. Frankreich und Fentanyl. Leute, die auf Laufbändern rennen, neben Leuten, die sich wie Zombies bewegen. We built these cities. Kann man wohl auch zu Starship twerken?
Zeig das Poloch. Versteck das Poloch. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Kreisen, kreisen, kreisen, kreisen, kick ball change, runter auf alle Viere. Wackeln links. Wackeln rechts.
Und wie kommt es, dass niemand jemals über die absolute Qual spricht, die ein Langstreckenflug darstellt. Nichts, was man am anderen Ende der Welt erleben könnte, kann den unaufhörlichen Lärm des Luftzirkulationssystems des Flugzeugs wettmachen, das deine Haut in fünf Sekunden trocken saugt. Schrumpelige Pfirsiche mit Nackenkissen.
Zeig das Poloch. Versteck das Poloch. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Kreisen, kreisen, kreisen, kreisen, kick ball change, runter auf alle Viere. Wackeln links. Wackeln rechts. Schlag auf den Boden, dreh dich um. Tic-Toc-Kreisen, Tic-Toc-Kreisen, Welpenschwanz, Welpenschwanz.
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Zeig das Poloch. Versteck das Poloch. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Es ist draußen. Es ist schüchtern. Kreisen, kreisen, kreisen, kreisen, kick ball change, runter auf alle Viere. Wackeln links. Wackeln rechts. Schlag auf den Boden, dreh dich um. Tic-Toc-Kreisen, Tic-Toc-Kreisen, Welpenschwanz, Welpenschwanz. Freestyle-Abschnitt. Klatsch, klatsch, klatsch.
Ich bin mutig. Klatsch, klatsch, klatsch.
Ich bin mutig. Klatsch, klatsch, klatsch.
Ich bin mutig. Klatsch, klatsch, klatsch.
Ich bin mutig. Klatsch, klatsch, klatsch.
Ich bin zwar mutig, aber ich hab mir immer noch nicht die Videoaufnahme von dieser Tanzstunde angeschaut.
Klatsch, klatsch, klatsch.